#WeStandWithUkraine
Haltung zeigen in einem Jahr der Krisen
Das Jahr 2022 hat sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir für unsere Werte wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und friedlichen Austausch souverän und hartnäckig einstehen müssen.
Wo autoritäre Regimes versuchen, demokratische und freiheitliche Strukturen zu verhindern oder gar zu vernichten, wollen wir wachsam sein; und dies insbesondere, wenn Diktatoren durch Demokratiebewegungen ausgelöste, kurzzeitig instabile politische Situationen ausnutzen, um eigene Macht- und Einflusszonen weiter auszubauen – so wie in der Ukraine, in Syrien oder Belarus (s. Editorial).
Wir hören Menschen zu, die an uns herantreten und sagen, dass nun etwas unternommen werden muss, um freiheitliche Werte zu sichern und unterstützen sie mit den Instrumenten der GLS Treuhand. Daher haben wir für die Ukraine im Februar 2022 in kürzester Zeit Netzwerke und Unterstützungsmöglichkeiten aufgebaut und mit Kooperationspartner*innen intensiv gearbeitet.
Auf dieser Seite stellen wir einen kleinen Teil der geförderten Projekte und Initiativen vor, die mit großer Kraft unter den widrigsten Bedingungen von nah und fern der Ukraine helfen. Einen besonderen Platz in unserem Engagement hat die Stiftung Sophia, die Vorstandsmitglied Nikolai Fuchs kurz vor dem Kriegsausbruch besucht hat und die im vergangenen Jahr das Leid vieler Einzelschicksale gemildert hat. Einen kleinen Einblick dazu gewährt uns Gründungsmitglied Lasha Malashkhia im Interview.
Nothilfe für den Ökolandbau in der Ukraine
Von Evelyne Eberle, Zukunftsstiftung Landwirtschaft
Mit Beginn des Krieges im Februar 2022 stand auch ein großer Teil der Landwirtschaft in der Ukraine still. Nicht nur wegen der Schäden an Gebäuden und Agrartechnik, verminten Ackerflächen, fehlenden Betriebsmitteln wie Diesel und Saatgut, auch Angst und Unsicherheit lähmten die Arbeit auf den Betrieben.
Stefan Dreesmann, Projektleiter der Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau, war und ist ganz nah dran an den Geschehnissen in der Ukraine. Gemeinsam mit ihm und seinem Team konnte die Zukunftsstiftung Landwirtschaft im März 2022 den Spendenaufruf Nothilfe Ukraine Ökolandbau ins Leben rufen. Die Mission: Menschen auf Bio-Höfen unterstützen, damit der Ökolandbau in der Ukraine weiter bestehen kann.
Neben dem Fundraising beschäftigten uns insbesondere über 200 Anträge von ukrainischen Betrieben. Alle Anträge wurden ins Deutsche übersetzt und mit einem Gremium aus ukrainischen Agrarexpertinnen und -experten sowie zwei Vertreter*innen der Zukunftsstiftung Landwirtschaft geprüft. So wurden bisher 170 Betriebe und Höfe unterstützt und über 600.000 Euro ausgezahlt. Dank der großartigen Unterstützung vieler Spender*innen, Übersetzer*innen, dem Team der Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau sowie der Organic Federation of Ukraine wurde diese Aktion erst möglich.
Mit den Spenden konnten Binnenflüchtlinge versorgt, Wohnung renoviert und Holzöfen installiert werden. Damit war die Unterbringung von Familien, insbesondere aus dem Osten des Landes, möglich. Manche Betriebe haben auch Material beschafft, um Milch oder Getreide vor Ort zu Käse und Mehl zu verarbeiten und somit Lebensmittel für die regionale Versorgung herzustellen. Ergänzend wurden die Spenden für die Beschaffung von Saatgut, Diesel oder Ersatzteilen eingesetzt.
Damals wie heute gilt: Die Arbeit auf den Bio-Betrieben geht weiter, doch die Herausforderungen, im Kriegszustand zu wirtschaften, sind riesig. Nicht nur der Einsatz für die Tiere und Ackerflächen, Beerenanlagen und Gemüsefelder ist vorbildlich. Besonders das soziale Engagement, der Mut und der Zusammenhalt der Menschen in den Bio-Betrieben beindrucken uns außerordentlich und schenken Zuversicht für eine freie und ökologische Zukunft der Ukraine.
Unterstützen auch Sie die seit Jahren wachsende ukrainische Ökolandbau-Bewegung und die Menschen auf Bio-Höfen: Wir sammeln weiter Spenden für die Nothilfe Ukraine Ökolandbau.
Zukunftsstiftung Landwirtschaft
IBAN: DE50 4306 0967 0030 0054 13
BIC: GENODEM1GLS
Stichwort: Ukraine
„Wir beschäftigen uns jetzt mit unserer Rolle nach dem Krieg“
Die Zusammenarbeit zwischen der GLS Treuhand und der ukrainischen Stiftung Sophia begann kurz vor dem Krieg. Mitgründer Lasha Malashkhia sprach mit uns über die Herausforderungen und Erkenntnisse des zurückliegenden Jahres.
Die ukrainische Sophia-Stiftung wurde im Oktober 2020 infolge von Vorträgen über ethisches Finanzwesen in Kiew gegründet. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Projekte zu unterstützen, die von der Anthroposophie inspiriert sind oder von ähnlichen Impulsen, auf das Allgemeinwohl einzahlen und einen sozialen Nutzen haben. Die GLS Treuhand hat die Stiftung in der Gründungsphase gefördert und auch 2022 noch einmal mit über 140.000 Euro über Spendenaufrufe für die Ukraine-Nothilfe unterstützt. Wir sind sieben Gründungsmitglieder, die in der Ukraine leben oder mit ihr verbunden sind – darunter ein Georgier und ein Franzose.
Kaum waren wir bereit, unseren Auftrag zu erfüllen, mussten wir aufgrund des Krieges unsere Rolle komplett ändern – wir fingen an, Nothilfen an leidende Familien und Einzelpersonen zu verteilen.
Bei den Nothilfen beraten wir in der Gruppe individuell, welche Höhe ausbezahlt werden soll. Dazu treffen wir sieben Gründer uns online – bis heute ist das so. 2022 haben wir an über 800 Familien gespendet. Zudem haben wir im vergangenen Jahr angefangen, Darlehen an insgesamt 15 Projekte und Institutionen zu vergeben. Die Krisen- und Kriegs-Situation erforderte viele dringende Entscheidungen, daher haben wir die benötigten Finanzkompetenzen schnell durch Kurse, Vorträge, Beratung und Begleitung der Stiftungsgründer nachgeholt.
Die 15 finanzierten Projekte betrafen hauptsächlich Waldorfschulen, die sehr unter dem Verlust von Schüler*innen litten, da diese ins Ausland abgewandert waren. Die weiteren Projekte betrafen den medizinischen Bereich.
Das Hauptkriterium für die Nothilfe ist eine direkte oder indirekte Zugehörigkeit zur anthroposophischen Gemeinschaft in der Ukraine – denn es ist uns leider nicht möglich, allen Menschen zu helfen... Außerdem passen wir unsere Kriterien nach der Lebenssituation an. Zum Beispiel fragte einmal jemand uns um Geld für Munition. Das lehnten wir ab, denn wir wollten Nothilfe mit Lebensmitteln oder Medizin leisten. Ein paar Wochen später bat jemand um Geld für eine kugelsichere Weste. Hier stimmten wir nach einer langen Diskussion zu, da es um den Schutz des eigenen Lebens ging. Daraufhin änderten wir auch in diese Richtung unsere Kriterien.
Nach jedem wichtigen Ereignis, bitten wir jeden zu sagen, was er oder sie gelernt hat. Ein Ergebnis: Wir spüren nun stark, dass Geld ein starker Entwicklungsfaktor ist, auch für die persönliche Entwicklung; das zeigt sich auch in meiner Biographie! Wir arbeiten nun auch an übergreifenden Themen wie Delegation, Verantwortung, Projektmanagement und der Art und Weise des Dialogs mit Projektträgern. Aber wir beschäftigen uns jetzt wieder mehr mit unserer eigentlichen Mission sowie unserer künftigen Rolle nach dem Krieg. Gegenwärtig wenden wir unsere Aufmerksamkeit immer mehr der Frage zu: Wie können wir den Wiederaufbau der Initiativen und des Landes nach dem Krieg unterstützen und fördern?
Ja, wir beschäftigen uns grundlegend mit Eigenschaften, Besonderheiten und Merkmalen von Entwicklung, Ethik und den Säulen einer sozialen Organisation. Dazu zählt auch die persönliche Begegnung. Wir konnten im Jahr 2022 zweimal ein Treffen aller sieben Gründer in der Ukraine organisieren und es sind weitere geplant. Das erste Mal im Juni in der West-Ukraine, wo viele anthroposophische Aktivitäten in den Zeiten des Krieges stattfinden und das zweite Mal in Kiew. Dabei gab es sowohl ein internes Treffen des Vorstandes, aber auch ein Zusammenkommen mit geförderten Initiativen. Das brachte uns wiederum zurück zum Gedanken: Wie können wir den Wiederaufbau der Initiativen und des Landes nach dem Krieg unterstützen und fördern?
FÖRDERPARTNERIN Stiftung Sophia
GEFÖRDERT DURCH GLS Treuhand e.V. und viele Spender*innen der GLS Treuhand
Kurz Hingeschaut - Projekte gegen den Krieg
Dekoder
Initiative Dekoder macht unabhängige Informationen auf Deutsch zugänglich
In Deutschland zugängliche Informationen aus Russland und Belarus sind oftmals nicht ausreichend differenziert – der direkte Einblick in die russische Zivilgesellschaft fehlt. Auf der anderen Seite wird unabhängigen Journalist*innen beider Länder die Berichterstattung immer weiter erschwert. Hier setzt das siebenköpfige Dekoder-Team an, in dem es staatlich nicht-kontrollierte Informationen übersetzt, sie mit wissenschaftlicher Kompetenz verbindet und so allen, die den totalitären Regimes trotzen, eine deutsche Stimme verleiht. Die GLS Treuhand förderte 2022 die laufende Arbeit des gemeinnützigen Unternehmens.
Solidarity Fund
Damit die freiheitlich gesinnten Journalist*innen in der Ukraine sowie in Mittel- und Osteuropa auch während des Kriegs ihre Arbeit fortführen können, beteiligen wir uns mit 20.000 Euro an dem Solidarity Fund der European Cultural Foundation. Damit wird die freie Kulturentfaltung, Meinungsvielfalt und eine kritische Öffentlichkeit unterstützt. Der Solidary Fund setzt sich darüber hinaus für den erhalt des europäischen Gedankens und der europäischen Kultur ein.
Aus der Zukunftsstiftung Bildung
Kinderpsychotherapeutin berät Lehrkräfte
Der Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, war in 2022 täglich in den Medien präsent. Viele geflüchtete Kinder sitzen inzwischen neben neuen Nachbarkindern in den Schulklassen, nehmen am Unterricht teil und verständigen sich mit ersten Worten. Alle haben Schlimmes erlebt, sind aus ihrer Heimat geflohen und tragen tief in sich seelische Verletzungen. Wie erklären wir den Kindern, was geschieht? Wie können wir helfend und stärkend Begegnungsräume schaffen? In einer Veranstaltung der Zukunftsstiftung Bildung für Lehrkräfte zeigte die Kinderpsychotherapeutin Andrea Berger auf, mit welchem Wissen und welchen Annahmen wir uns auf den Umgang und die Begegnung vorbereiten sollten. Wichtig dabei: Alle im Schulalltag Handelnden können zur Resilienz der Kinder beitragen.
Zuversicht im Öko-Landbau
So hoffnungsvoll endet die E-Mail eines Betriebsleiters, der aktuell in der Ukraine lebt, aber dessen Betrieb in einem russisch besetzten Gebiet liegt. Trotz der schwierigen Situation blicken die Landwirt*innen meist mit Zuversicht in die Zukunft und sehen auch Chancen für den Ökolandbau in der Ukraine.
Viele der rund 400 Bio-Betriebe haben Wege gefunden, die Arbeiten auf den Höfen weiterzuführen. Auch die Nothilfe Ukraine Ökolandbau, initiiert von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft und der Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau, konnte mit über 600.000 Euro an 170 ukrainische Bio-Betriebe dazu beitragen. Allen Spender*innen dafür einen herzlichen Dank!
Mehr erfahren Sie unter www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de/ukraine.
MEMORIAL
Die russische Menschenrechtsorganisation MEMORIAL erhielt im Oktober 2022 den Friedensnobelpreis – zusammen mit dem belarussischen Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki und der ukrainischen Organisation „Center for Civil Liberties“. Diese Entscheidung des Komitees war eine von hohem Symbolwert. Jan Raczynski sprach als Vertreter von MEMORIAL in der Nobelpreisrede von einer „zusätzliche Auszeichnung“, die zeige, „dass Staatsgrenzen die Zivilgesellschaft nicht trennen können und dürfen“.
In Russland ist bzw. war MEMORIAL die größte Menschenrechtsorganisation. Sie engagierte sich vor allem bei der historischen Aufarbeitung des Sowjetregimes, hatte ein Kompetenzzentrum für Menschenrechte sowie zahlreiche Sozial- und Bildungsprojekte aufgebaut, sie leistete Rechtsberatungen für Soldaten und Migrantinnen und bot Programme zur Demokratieförderung.
Im Dezember 2021 wurde MEMORIAL vom Obersten Gerichtshof in Russland verboten, seitdem befindet sich die Organisation in Zwangsliquidation, will aber trotzdem die Arbeit fortsetzen und sich im Ausland neu strukturieren. Die Verfolgung ehemaliger Aktivist*innen hält weiter an, viele von ihnen haben das Land verlassen. Die Nobelpreisrede von Raczynski am 10. Dezember 2022 in Oslo endet dennoch oder gerade deshalb mit den mutigen Worten:
„Wir werden die Hände nicht sinken lassen, sondern unsere Arbeit fortführen.“
Die GLS Treuhand unterstützt die Internationale Gesellschaft MEMORIAL, eine der ältesten russischen NGOs, ehemals mit Sitz in Moskau. Aus einer breiten Bürgerbewegung am Ende der Sowjetunion in der Zeit der Perestroika entstanden, ist sie heute eine Konföderation von über fünfzig nationalen und regionalen Organisationen in einer Reihe von Ländern (Russland, Ukraine, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und Tschechien).
Aus der Zukunftsstiftung Entwicklung
In Kenia leben die Massai vorwiegend als Halbnomaden, von und mit ihrem Vieh. In der Region Kiambu sind die Kikuyu zumeist in der Landwirtschaft tätig. Zwischen den Gemeinden kommt es immer wieder zu Konflikten. Bei Dürren müssen die Massai mit ihren Herden auf der Suche nach Weiden weite Strecken wandern. Sie dringen dabei auch in die Gärten und Felder der umliegenden Kleinbäuer*innen ein und ihr Vieh zerstört Pflanzungen und Ernten. Die Kleinbäuer*innen setzen sich daraufhin – oftmals auch mit Gewalt – zur Wehr. Das Maruge-Zentrum verfolgt das Ziel, Konflikte um Ressourcen zwischen den kleinbäuerlichen und halbnomadisch lebenden Gemeinden zu überwinden und dauerhaft zu verhindern.
FÖRDERPARTNER*IN YARD
GEFÖRDERT DURCH GLS Zukunftsstiftung Entwicklung
Zusammen mehr bewirken
Wo unsere Stiftungen wirken
Die Stifter*innen unserer Dachstiftung für individuelles Schenken haben 2022 mit rund 505.000 Euro über 30 Organisationen gefördert, die angesichts des Angriffskriegs auf die Ukraine Nothilfe leisteten. Vier Initiativen stellen wir hier vor.
Die Sozialgenossenschaft KARUNA organisierte eine direkte Vermittlung von 9.000 ukrainischen Geflüchteten, die am Berliner Hauptbahnhof ankamen, an Berliner Gastfamilien oder in Airbnb-Wohnungen. Die schnelle Hilfe wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Land Berlin realisiert. KARUNA eG wurde mit über 55.000 Euro gefördert.
Die Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline sendete einen Konvoi an die slowakisch-ukrainische Grenze. Es wurden Fahrten für Menschen organisiert, die aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland oder Österreich fliehen. Insbesondere People of Color kamen an der slowakischen Grenze an, da sie an anderen Grenzen aus rassistischen Motiven abgewiesen wurden. Der Konvoi wurde mit 20.000 Euro unterstützt.
Mit 6.000 Euro konnte die wichtige Arbeit von ARTHELPS unterstützt werden, um lebensnotwendige Bedarfsartikel bis zur ukrainischen Grenze zu bringen. Von dort aus lieferten Evakuierungsfahrzeuge die Hilfen direkt in die gefährlichen Regionen und brachten Menschen, die auf der Flucht aus den zerstörten Gebieten waren, in Sicherheit.
Der 3 Musketiere Reutlingen e.V. setzt sich seit 2016 für schutzbedürftige Menschen in und aus Krisen- und Katastrophengebieten, direkt vor Ort, ein. Kontakt bestand zu Beginn des Krieges zu einem „Erstaufnahme Zentrum“ an der polnisch-ukrainischen Grenze, das mit Hilfstransporten unterstützt wurde. Anschließend wurde der Verein auch in der Ukraine aktiv und leistete humanitäre Nothilfe in den Regionen Izium, Charkiv, Sloviansk, Kupiansk und Kramatorsk im Osten des Landes und nur wenige Kilometer von der Frontlinie entfernt. Hier hielten sich überwiegend Menschen auf, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht fliehen konnten oder wollten – darunter alte Menschen, kranke Menschen und Frauen mit Kindern. Zudem wurde in Charkiv, auf dem Areal der Kathedrale, eine Suppenküche und die Distribution von Hilfsgütern für ca. 2000 - 3000 Menschen errichtet und etabliert. Der Verein wurde mit 14.000 Euro unterstützt.