Pressemitteilung: Feierlicher Abschluss der 2. Staffel der Stadtteil-Historiker Ruhrgebiet
Bochum, 20.06.2024. Hinter den 14 Stadtteil-Historiker*innen liegen nun fast zwei Jahre intensiver Recherche und Spurensuche. Ihre wiederentdeckte(n) Geschichte(n) aus 200 Jahren Ruhrgebiet würdigten Projektträger und Jury bei der Abschlussfeier in den Räumlichkeiten der GLS Treuhand in Bochum.
Stadtkultur im Wandel, zivilgesellschaftliches Engagement, Migration, Arbeitnehmerrechte, Industrieerbe: Die Themen der Stadtteil-Historiker beleuchten zwar Vergangenes, doch sind die Herausforderungen und Ereignisse, die die insgesamt 17 Laienhistoriker*innen untersucht haben, heute immer noch relevant. Ohne die Entdeckerlust und Akribie dieser Menschen würden die nun aufgearbeiteten Geschichten aus dem Ruhrgebiet verschüttet bleiben. Das verdient Dank und Respekt. Im Kreise von Freunden und Familie reflektierten die Stipendiat*innen ihre Forschungsarbeit und ließen sich von den Projektträgern und der Jury feiern.
Die Projektorte der Stadtteil-Historiker sind wie folgt verteilt: 2 x in Bochum, 1 x in Dortmund, 4 x in Duisburg, 2 x in Essen, 1 x in Gelsenkirchen, 1 x in Hattingen, 1 x in Oer-Erkenschwick, 1 x in Waltrop und 1 x in Wanne-Eickel.
Die Projekte im Überblick
Lukas Paul Beiske stellt dar, wie der Stadtteil Laer sich immer wieder wandeln musste – sei es durch die Zeche Dannenbaum oder den Bau des Opelwerks. Das hat das Leben der Menschen vor Ort und das Stadtbild selbst stark geprägt. Was das bedeutet, will Beiske erlebbar machen.
Jessica May setzte sich kritisch mit dem Thema Grubenwasser und seinen Folgen zusammen, denn besonders jüngeren Ruhrpottlern ist diese Jahrhundertaufgabe kaum bekannt. Die Folgen für Gesundheit, Umwelt sowie weitere Aspekte bereitet sie als Podcast auf.
In Ihrem Einzugsgebiet stellt Stephan Kottkamp dar, welches Spannungsverhältnis die IG Metall während der Stahlkrisen der 60er bis 80er Jahre zu den Belegschaften und Betriebsräten hatte und was das an Konsequenzen nach sich zog. Dies führt auch zu einem tieferen Verständnis der gegenwärtigen Verhältnisse.
Lothar Koopmann ergründet die Geschichten hinter allen Straßennamen in Meiderich, stellt Querverweise dar und lässt dabei auch amüsante Hintergrundinformationen nicht aus.
Günter Matczik widmet sich der Siedlungsgeschichte rund um die Laarer Phoenix Hütte und der dort entstandenen Arbeiterkolonie. Der passionierte Stadtteil-Forscher hat bereits zu Marxloh und Bruckhausen vergessene Geschichte wieder aufgespürt und bereitet nun die 150-jährige Industriehistorie des wenig erforschen Laar auf.
Auch Heinz Pischke spürt der vorindustriellen Zeit in Laar bis zur Industrialisierung nach und ergründet, wie sich das Leben von einem reinen Bauern- und Fischerdorf zu einem industriellen Stadtteil gewandelt hat.
Die Projektgruppe von Thorsten Fischer, Michael Voith und Jörg Weißmann beschäftigt sich mit der Flüchtlingsmigration nach dem 1. Weltkrieg in Hamborn. Spannend ist, wie bereits damals die Integration stattfand und welche Anstrengungen im Arbeitsmarkt, Wohnungsbau und in der Gesellschaft gemeistert werden mussten. Die Ergebnisse des Projektes werden im Duisburger Mercator-Verlag veröffentlicht (ISBN 978-3-946895-52-7).
Hans-Jürgen Schreiber gibt den NS-Opfern aus Altenessen eine Stimme. Aus einer Vielzahl an Quellen zeichnet er die Lebenswege dieser Menschen nach und erklärt, wie sie ins Visier der Nationalsozialisten gelangten.
Dr. Edith Tekolf ergründet die Textilindustrie in Werden am Beispiel der hugenottischen Färberfamilie Oules. Von ihrer Herkunft in Südfrankreich, über spannende Familienbeziehungen bis zum Einfluss auf den Stadtteil zeichnet sie ein detailliertes und lebhaftes Porträt.
In Ihrem Einzugsgebiet zeichnet Hans-Joachim Koenen ein Stück Baugeschichte der Stadt nach, indem er die Gelsenkirchener Ziegeleien in den Fokus rückt. Wann kamen überhaupt die ersten Ziegeleien in die Stadt, was wurde damit gebaut und wie viele gab es zur Hochzeit? Das und viel mehr hat der ehemalige Bauingenieur zusammengetragen.
In Ihrem Einzugsgebiet hat sich Lars Friedrich mit den Kriegs- und Kriegerdenkmälern in Hattingen beschäftigt und bereitet seine Erkenntnisse dazu für Jugendliche auf. Damit sichert er ein Stück Erinnerungskultur, was in einem früheren Projekt zur Gedenkkultur in 2021 mit einem Heimatpreis der Stadt Hattingen ausgezeichnet wurde.
In Ihrem Einzugsgebiet hat Michael Huhn untersucht, wie die beiden Ortschaften Oer und Erkenschwick schlussendlich zusammengewachsen sind. Was hielten die Einwohner voneinander, bevor die Stadt zusammengelegt wurde, was veränderte sich seitdem? Zeitzeugen und intensive Recherchen brachten interessante Geschichten hervor, die sogar genug Stoff für einen VHS-Kurs boten.
In Ihrem Einzugsgebiet interessierten David und Michael Braun – Vater und Sohn, wie der örtliche Fußball sich auf die Stadt ausgewirkt hatte. Verknüpfungen zwischen Bergbautradition, Identitätsstiftung und bürgerlicher Entwicklung traten hervor, wovon heute kaum noch etwas wahrnehmbar ist. Höchste Zeit also, Fußball und Stadt wieder näher zusammenzubringen.
In Ihrem Einzugsgebiet zeichnet Emilia Valentina Rodi die Geschichten von italienischen Arbeiterfamilien in der Stadt nach. Wie lebten sie in den 1960er Jahren? Welche kulturellen Auswirkungen hatten die Italiener*innen auf die Stadt und wie war das Verhältnis zu den „Einheimischen“? Die Integrationserfahrungen von damals sind auch heute äußerst aufschlussreich.
Fotos & Broschüre zum Download
Abschlussbroschüre mit allen Projekten als PDF
Fotos der Stipendiat*innen in hoher Auflösung (Bildnachweis: GLS Treuhand/Florian Dürkopp)
Projektfotos für Bochum, Dortmund und Duisburg als zip
Projektfotos für Essen, Gelsenkirchen, Hattingen, Oer-Erkenschwick-Waltrop und Wanne-Eickel als zip
Wenn Sie Interesse an Fotos von der Veranstaltung haben, wenden Sie sich bitte an den Pressekontakt.
Über uns
Die Durchführung der Stadtteil-Historiker im Ruhrgebiet ist eine Kooperation von Gerda Henkel Stiftung, Bürgerstiftung Duisburg, Regionalverband Ruhr, Stadtarchiv Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e.V. und GLS Treuhand. Jede*r Stadtteil-Historiker*in erhielt ein Recherchebudget in Höhe von 1.200 Euro und eine fachliche Begleitung durch den Projektkoordinator PD Dr. Dietmar Bleidick. Entwickelt wurde das Projekt Stadtteil-Historiker von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main.
- Klaus Becker, Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung Duisburg;
- Susanne Abeck, Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e. V.;
- Dr. Hermann Falk, Vorstandsmitglied der GLS Treuhand, Bochum;
- Timo Hauge, Regionalverband Ruhr;
- Dr. Kai Rawe, Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte
- Dr. Angela Kühnen, Vorstandsmitglied der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
Die GLS Treuhand fördert mit Ideen und Geld gemeinnützige Vorhaben für eine aktive, demokratische und offene Bürgergesellschaft. Sie unterstützt mit ihren Stiftungen soziale, ökologische und kulturelle Lern- und Entwicklungsfelder. Daneben verwaltet und berät sie unselbständige und selbständige Stiftungen. Durch Spenden, Schenkungen und Erbschaften förderte sie 2023 mit ihren zahlreichen Partner*innen über 1.000 Projekte mit rund 16,3 Millionen Euro.