Treuhandpartner biokaiser im Interview
„Zu unseren Stakeholdern zählen auch Natur und Kultur“
Die GLS Treuhand hält seit 2020 Geschäftsanteile an der biokaiser GmbH in Höhe von 33%. 25,1% hält die Schachtsiek Familienstiftung und den Rest Volker Schmidt-Sköries, Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter von biokaiser.
Das Biobäckerei-Unternehmen mit Hauptsitz in Mainz-Kastel ist aufgrund seiner sozial-ökologischen und ethischen Ziele für die GLS Treuhand ein wertvoller Partner. Beide teilen die Überzeugung, dass die Verbindung von Unternehmertum und Gemeinwohlorientierung sinnvoll ist.
Was das genau bedeutet, zeigt das Gespräch mit Geschäftsführer Volker Schmidt-Sköries.
Wie sind Sie zum heutigen Unternehmenskonzept gekommen?
Die Bäckerei gibt es seit 1976, aber in den 2000er-Jahren war biokaiser wirtschaftlich so gut aufgestellt, dass wir unsere ethischen Konzeptionen nach und nach umstellen konnten. So richtig Gas gegeben haben wir in den letzten fünf, sechs Jahren. Die GLS Treuhand als Mitgesellschafterin half uns dabei. Auf der Gesellschafter- wie der Stakeholder-Ebene konnten wir neue Wege gehen.
Die Grundlagen für die ethischen Leitlinien haben wir zusammen mit der GLS Treuhand entwickelt. Unser gemeinsames Ziel, die Interessen und Bedürfnisse der Stakeholder fair und gerecht auszugleichen, führte dazu, die Gewinne zu begrenzen. 5% Umsatzrendite wird gebraucht, um wirtschaftlich stabil zu stehen. Wird dieser Wert erreicht, gilt die Regel: 35 Prozent gehen in die Eigenkapitalbildung, 35 Prozent bekommen die Gesellschafter und 30 Prozent die Stakeholder. Wobei die Stakeholder nicht nur klassisch betriebswirtschaftlich sind, sondern auch Stakeholder der Herzen. Dazu zählen die Natur und die Kultur.
Was macht biokaiser darüber hinaus anders als andere Bäckereien?
Wir sind nicht einfach eine Bäckerei, die bio macht – also mit Biobackwaren Geld verdient. Es geht um Haltungen und Einstellungen, die uns als Menschen auszeichnen, zum Beispiel die Haltung der Achtsamkeit. Die Reduzierung des Menschen auf die Rolle des Homo oeconomicus ist eine Reduzierung aus der neoliberalen Denkwelt, die aus unserer Sicht die komplexe Realität nicht berücksichtigt. Wir begreifen biokaiser nicht als funktionierende Organisation, sondern als lebendigen Organismus, der Identität und Sinnstiftung schafft.
Das spiegeln mir auch einige Mitarbeitende und ja, auch wir haben Fluktuation, finden aber immer wieder fähige Leute, wo andere Bäckereien aufgrund von Personalmangel Probleme haben.
Sie bezeichnen sich auch als „wirtschaftsethischen Anstifter“ - wie definieren Sie den Begriff und woran machen Sie ihn fest?
Es fängt damit an, dass wir nicht nur für uns arbeiten, sondern auch Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen. Diese Ideen entwickeln wir stets weiter und probieren aus. Das drückt sich im Umgang mit Geld aus, wie wir mit unseren Bauern und anderen Vertragspartnern, aber auch unseren Kund*innen und Mitarbeitenden umgehen. Dies ist jedoch nicht als einengendes Dogma gemeint – das „Anstiften“ ist eine Einladung und Motivation für ein anderes Leben und für eine andere Sinngebung. Nicht zuletzt stiftet auch unser Erfolg an. Erfolg ist nicht alles, aber natürlich brauchen wir ihn, um unsere Ideen auch umzusetzen.
Mit unserer Überzeugung wollen wir alle erreichen, mit denen wir zu tun haben, auch andere Unternehmer*innen. Momentan bin ich im deutschsprachigen Raum zwei Mal die Woche unterwegs und spreche über mein wirtschaftsethisches Unternehmertum an Unis oder bei Verbänden. Der Bedarf ist also groß. Manche aus dem Publikum sind an einem neuen Geschäftsmodell interessiert, vielen geht es aber um die Haltung.
Ist in der Hinsicht biokaiser noch ein „Leuchtturm-Vorbild“ oder gibt es bereits Nachahmer*innen?
Es gibt wenige Nachahmer, ein Beispiel: Ich habe einen Vortrag vor 120 Leuten in der Deutschen Bäckerakademie gehalten. Dabei ging ich darauf ein, dass meiner Meinung nach die Bäcker*innen die Aufgabe haben, mit dem Brotbacken eine „Brücke der Nachhaltigkeit“ zwischen Natur und Kultur zu bauen. Und in dieser Nachhaltigkeitsfrage haben sie einen wunderbaren Beruf. Es gab Standing Ovations, es schien, als hätte der Aspekt den Bäcker*innen aus dem Herzen gesprochen.
Als es darum ging, in einem Seminar den nächsten Schritt zu machen und einen wirtschaftsethischen Workshop mit mir als Trainer anzubieten, haben sich von den 120 begeisterten Zuhörer*innen nur drei angemeldet. Das zeigt gut, wie groß das Bedürfnis und wie schwer die Überwindung ist, die eigene Haltung zu ändern. Dabei geht es gar nicht darum, nicht wirtschaftlich zu sein – ganz im Gegenteil. Eine professionelle Unternehmensführung und Qualität müssen sein, aber entscheidend ist, was mit dem Geld passiert, das ich verdiene.
Warum lassen Sie sich zusätzlich nach den Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie bilanzieren? Welchen „Mehrwert“ hat das für biokaiser?
Es geht dabei weniger um einen Mehrwert für biokaiser. Vor allem die Gemeinwohl- Bewegung soll gestärkt werden, denn die Idee, dass das Unternehmen nicht nur für sich steht, sondern auch eine Verantwortung für die Gemeinschaft hat, finde ich gut. Und ich denke, dass es hilft, wenn man sieht, dass Unternehmen wie wir mitmachen und die Idee auch unseren Kund*innen zugänglich wird.
Wie erleben Sie die Partnerschaft mit der GLS Treuhand und woran machen Sie fest, dass die Zusammenarbeit sinnstiftend ist?
Wir haben mit der Treuhand ähnliche Werte und eine ähnliche Haltung. In der Zusammenarbeit besteht eine gute Balance zwischen Unternehmer sein und Stiftungsarbeit. So bin ich bei biokaiser aktuell der einzige Unternehmer als Gesellschafter und der Rest der Shareholder sind gemeinnützige Stiftungen und das passt sehr gut. Es gibt einen lebendigen, anregenden Austausch – die Kooperation ist mehr als eine Formsache. Das menschliche Miteinander der Shareholder ist bemerkenswert.
Was möchten Sie bis zum Ruhestand noch erreichen und wie möchten Sie biokaiser übergeben?
Ruhestand ist für mich keine Zielsetzung, aber ich kann mir vorstellen, in zehn Jahren weniger im Operativen zu arbeiten. Ich möchte weiterhin Ethik und Innovation im biokaiser-Management verankern und stärken, sodass sich die Biobäckerei nach meinem Weggang nicht zurück zum Konventionellen entwickelt.
Aber klar denke ich auch ans Loslassen, doch am Thema wirtschaftsethisches Unternehmertum will ich trotzdem weiterarbeiten – das kann dann aber losgelöst von biokaiser sein. Zum Beispiel könnte ich mir eine Akademie für wirtschaftsethisches und innovatives Unternehmertum vorstellen. Jedenfalls will ich weiter Botschafter für dieses Thema sein – das kann ich mir auch noch in vielen Jahren vorstellen