Stadtflucht in Pandemiezeiten – Perspektiven auf dem Land
Dank erfolgreicher Projektarbeit gelingt die Integration von Binnenflüchtlingen in zwölf Bergbäuer*innengemeinden.
Am 15. März 2020 verhängte die peruanische Regierung zur Kontrolle der Corona-Pandemie den nationalen Notstand mit einer strikten Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Aussetzung des nationalen und internationalen Personentransports. Besonders für die Menschen, die sich schon vor der Pandemie als Tagelöhner*innen von Tag zu Tag über Wasser hielten, wurde die Situation schnell prekär. Spätestens nach den ersten 15 Tagen, in denen sie ihre Wohnungen nicht verlassen durften, waren die Ersparnisse aufgebraucht. Not und Hunger trieb sie dazu, nach Alternativen zu suchen.
Aus den Küstenmetropolen Lima, Trujillo und Arequipa, den wirtschaftlichen Zentren des Landes, flüchteten Tausende. Sie ignorierten die staatlichen Verordnungen und liefen mitunter hunderte Kilometer in ihre Heimatregionen im Andenhochland und ins amazonische Tiefland.
In der Hochlandregion Cajamarca, dem Wirkungsgebiet des Projektpartners der Zukunftsstiftung Entwicklung, ACICA, errichteten Polizei, Militär und Bauernpatrouillen Absperrungen an den Zugangsstraßen. Die Flüchtenden wurden vor Ort in improvisierten Unterkünften kaserniert, um die lokale Bevölkerung vor möglicher Ansteckung zu schützen. Nach rund 14 Tagen durften sie weiterziehen.
Einige kehrten auf ihre Felder zurück, die sie mitunter vor Jahren verlassen hatten und bauten ihre zerfallenen Häuser wieder auf. Andere kamen bei Familienangehörigen oder Freund*innen unter. Victor Sanchez Acosta, Direktor von ACICA, berichtete von anfänglichen Ängsten der Bergbäuer*innen vor Ansteckung, aber auch davor, dass ihnen Land streitig gemacht würde. Dennoch nahmen die Bergbäuer*innen in zwölf Gemeinden die Hilfesuchenden auf.
Schnell wurde deutlich, dass die Flüchtenden Fähigkeiten mitbrachten. Viele hatten in den Städten Berufe wie Bauarbeiter, Schreiner, Schuster gelernt. Als sie erfuhren, dass ACICA im Rahmen der Projektförderung durch die Zukunftsstiftung Entwicklung mit zwölf Gemeinden Wasserinfrastruktur baut, boten sie ihr Wissen und ihre Arbeitskraft an.
Dank der Mitarbeit bei ACICA kamen einige Familien durch diese schwierige Zeit. Die Gemeinden profitierten von ihrem Wissen und ihrer Arbeitskraft und die Geflüchteten wurden dank ihrer wertvollen Mithilfe schnell von den Nachbar*innen anerkannt.
540 Familien in den zwölf Projektgemeinden sind dank des zweijährigen organischen Landbautrainings, Investitionen in Wasserinfrastrukturaufbau, Tierzucht und -haltung sowie Wiederaufforstung von ACICA inzwischen ernährungssicher. In vier der Gemeinden, nämlich Aushoconga, La Ramada, San José und La Florida, halfen die Bergbäuer*innen den Flüchtenden mit eigener Ernte wie Kartoffeln, Oka und Gemüse im Austausch gegen Mitarbeit bei der Feld- und Vieharbeit – eine gelungene Selbsthilfe in Krisenzeiten.
Aus den zunächst angenommenen Wochen wurden viereinhalb Monate Ausnahmezustand, bis Ende Juli 2020. Als die strengen Bewegungseinschränkungen aufgehoben wurden, zogen die meisten migrierten Familien wieder zurück in die großen Städte – doch einige blieben auch vor Ort.
Die Projektarbeit in den zwölf Gemeinden wurde in 2020 trotz Corona sehr erfolgreich fortgeführt. Die Wasserversorgung ist inzwischen gesichert, die Ernährungssicherheit und -souveränität erreicht. In einem nächsten Schritt geht es um den Kooperativaufbau zur Vermarktung der eigenen Produkte.