Bühne frei für Engagierte!
Tom Waurig, ein Magazin „mit Haltung für Aktivist*innen und engagierte Menschen“. Brauchen wir das?
Selbstverständlich! Umgetrieben hat uns immer schon ein und dieselbe Frage: Wer ist das eigentlich, diese Zivilgesellschaft? Immer, wenn es irgendwo brennt, soll die es richten – aber wer da eigentlich angesprochen wird, bleibt unklar, geschweige denn, dass es darum geht, was Staat und Gesellschaft für diese ominöse Zivilgesellschaft tun können und sollten. Also haben wir uns umgeschaut und widmen mit Veto den Mutigen und Engagierten ein Magazin, weil sie es verdienen, mit ihren klugen Gedanken und Ideen von einer breiten Öffentlichkeit gesehen zu werden. Und denen, die finden, dass es höchste Zeit ist, sich einzumischen, wollen wir zeigen, wie es gehen kann.
Wen meinen Sie denn mit „Zivilgesellschaft“?
Gemeint sind all die, die progressive Ideen und Visionen für die Zukunft unseres Zusammenlebens haben. Menschen, die haupt- und ehrenamtlich in Initiativen, Vereinen, Verbänden oder Stiftungen arbeiten und dort organisiert sind. Veto dient als Plattform, auf der sie sich wiederfinden – mit ihren Wünschen und Herausforderungen. Engagement oder Aktivismus finden heute jedoch nicht mehr nur in einem institutionellen Rahmen statt. Es gibt auch viele, die sich privat einsetzen. Denn durch die Aufnahme von Geflüchteten, das Aufkommen der AfD oder Pegida und die daraus folgenden Diskussionen sind Themen wie politische Bildung, Ausgrenzung, Radikalisierung oder Demokratieförderung längst keine mehr, die nur jene Menschen bewegen, die selbst betroffen oder in Initiativen organisiert sind. Es geht um Fragen, die eine breite Masse bewegen, weil viele nach Beispielen suchen, die Mut machen, und Ideen liefern, wie sie sich selbst einbringen können.
Also ein Magazin, dass sich an Gleichgesinnte richtet. Schreiben Sie der Zielgruppe nach der Nase?
Nein! Das ist nicht unser Ansatz, aber wir stellen uns schon sehr bewusst an die Seite der Engagierten und wollen ihnen eine Bühne geben. Zivilgesellschaftliches Engagement spielt in der alltäglichen Berichterstattung viel zu selten eine präsente Rolle spielt. Wenn doch, meistens dann, wenn irgendwo Neonazi-Übergriffe passieren. Dann sind auch immer die Engagierten gefragt und müssen erklären: wer, wieso, weshalb. Wir gehen anders vor und wollen sichtbar machen, was die Engagierten im Land täglich leisten.
Muss Journalismus nicht kritischer sein?
Absolut. Das sind wir auch. Gleichzeitig wollen wir gerne eine neue, konstruktive Form des Journalismus etablieren. Viele Menschen, die in den Medien arbeiten, berichten aus dem etwas arroganten Gefühl heraus, sie allein wüssten über die Dinge Bescheid. Wir sind aber der Meinung, dass diejenigen, die sich engagieren, am besten über ihre Themen Bescheid wissen und anderen selbst erklären sollten, warum sie tun, was sie tun. Wir haben nicht den Anspruch, Meinungen zu machen, sondern denen zu Aufmerksamkeit zu verhelfen, die etwas zu sagen haben und an Lösungen für gesellschaftliche Probleme arbeiten. Vor allem wollen wir zeigen, wie viele Menschen sich engagieren und was ihr Einsatz für uns als Gesellschaft bedeutet. Wir wollen andere empowern, deutlich machen, wie sinnvoll und notwendig es geworden ist, sich für etwas und für andere Menschen einzusetzen.
Welche Themen finden sich bei Veto?
Engagement ist ein so weites Feld und deshalb sind auch die Themen extrem vielfältig – Tierschutz, Umwelt, Anti-rechts, Klima, Inklusion. Die Liste ließe sich endlos erweitern. Denn überall im Land gibt es Menschen, die sich für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Fragen einsetzen. Sie sollten sich nicht nur kennen, sondern auch voneinander profitieren.
Sie wollen damit „Journalismus mit Haltung“ betreiben. Welche Haltung meinen Sie?
Die Redaktion begleitet Menschen, die überzeugt sind, dass sich die Welt verändern lässt – nicht durch Hass und Gewalt, sondern durch das gemeinsame Ringen um Werte. Menschen, die nicht wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Veto will eine Bühne für die Engagierten im Land sein und sichtbar machen, was sie täglich leisten. Sie helfen überall dort, wo Menschen in Not sind, sie greifen ein, wenn Menschen ausgegrenzt werden und sie suchen nach innovativen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen. Doch erfolgreiche Strategien und Projekte werden nur selten kommuniziert oder untereinander geteilt. Die Aktiven brauchen daher vor allem eine starke Stimme. Und: Sie brauchen Wertschätzung für ihre Arbeit.
Und das fehlt? Ich dachte der Journalismus sei bei uns vielfältig?
Es gibt ja nicht „den einen" Journalismus oder „die“ Medien – das Angebot an Zeitungen und Magazinen ist tatsächlich riesig. Journalist*innen haben vor allem die Aufgabe, abzubilden, was ist. Und ohne Frage gibt es viele Katastrophen, über die berichtet werden muss. Positive Nachrichten fallen da als erstes hinten runter. Für uns geht es um ein vernünftiges Maß. Gleichzeitig belegen Studien immer wieder, dass Menschen dazu neigen, auf negative Meldungen stärker zu reagieren als auf positive. Und so gut wie alle Redaktionen, Verlage oder Medienhäuser sind darauf angewiesen, ihre Zeitungen auch zu verkaufen. Am besten funktioniert das sicher mit einem groß aufgemachten Skandal oder einer sehr düsteren Geschichte. Mit Veto haben wir einen anderen Ansatz und wollen mit unserer Art der Berichterstattung Haltung zeigen. Entscheidend sind für uns all jene, die sich in Initiativen zusammenschließen, praktisch helfen und Projekte auf die Beine stellen. Wir wollen ihnen eine Bühne geben, damit sie auch gesehen und gehört werden, ihre Perspektiven im medialen Diskurs wahrgenommen werden.
Ein Weckruf an die eigene Zunft?
Wir möchten zumindest Impulse setzen und auch anderen Medien Engagierte näherbringen. Es wurde in den vergangenen Jahren leider mehr über diffuse Ängste diskutiert, statt mutige Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, die Dinge bewegen und nicht ständig nur meckern. Wir orientieren uns an der Idee des konstruktiven Journalismus, wollen also vor allem über Lösungen sprechen.
Wer schreibt bei Ihnen?
Wir sind eine kleine Redaktion in Dresden, dazu gehören vier Redakteur*innen, ein Fotograf und eine Designerin. Darüber hinaus arbeiten wir viel mit freien Journalist*innen zusammen, die eine bestimmte Expertise in unseren Bereichen mitbringen. Das ist uns sehr wichtig, um den Kern des jeweiligen Themas zu treffen.
Wie kann Veto unterstützt werden?
Wer die Idee von Veto teilt und mithelfen möchte, kann ein gedrucktes Heft bestellen oder gleich ein Abo abschließen. Außerdem freuen wir uns immer über Themenvorschläge oder Hinweise auf Initiativen, Projekte oder Engagierte, die es lohnt vorzustellen.
Welches Thema oder welche Person möchten Sie unbedingt einmal in Ihrem Magazin sehen?
Die Liste ist lang und die Themen werden uns nicht ausgehen. Dabei einzelne Menschen oder Themen rauszugreifen, würde unserem Ansatz nicht entsprechen. Im Grunde aber steht jede Geschichte für sich und ist für sich besonders. Alle Engagierten haben so viel Herzblut für ihre Themen. Das ist immer wieder aufs Neue beeindruckend.
Ihre Utopie?
Die Berichterstattung über das Gute soll medial wieder eine präsente Rolle haben – und Engagement raus aus der Nische! Magazine und Zeitschriften gibt es viele, auch viele gute. Doch Engagierte und ihre mutigen Ideen finden dort leider oft nur am Rand statt.
Das Gespräch führte Sven Focken-Kremer, Leitung Kommunikation in der GLS Treuhand.