Rückblick zum Tag der Zivilgesellschaft
29.06.22
Für die GLS Treuhand sind Werte wie Demokratie, Gemeinsinn und Vielfalt Handlungsanleitung für die Förder- und Stiftungstätigkeit seit über 60 Jahren. Sie will die Tatkraft von Bürger*innen, und gemeinnützigen Organisationen – kurz gesagt der Zivilgesellschaft – stärken, um die Welt ein wenig besser zu machen. Wie kann dies in Zeiten von Krieg und Krisen tatsächlich gelingen?
Das wollten wir am 10. Juni 2022 mit unseren Mitgliedern, Freund*innen, geladenen Gästen und Mitarbeitenden am Tag der Zivilgesellschaft in den Programmpunkten Symposium, Mitgliederversammlung und abschließendem Workshop diskutieren.
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Symposium
Gleich zu Beginn des Symposiums gab der Direktor der European Cultural Foundation, André Wilkens, Einblick in eine Bestandsaufnahme der zivilgesellschaftlichen Herausforderungen. Krieg in Syrien, Fluchtbewegungen nach Europa, der Aufstieg der AfD und das Versprechen „Wir schaffen das!“ - für ihn stellten diese Ereignisse auch Kristallisationspunkte von einer neuen Solidarität, großen Demonstrationen und gelebter Zivilgesellschaft dar.
Doch es folgten weitere Herausforderungen: der Brexit, die Präsidentschaft Donald Trumps, Klimakrise. Schlussendlich ein Krieg mitten in Europa.
Sven Focken-Kremer, der für die GLS Treuhand die Kommunikation verantwortet und den Tag moderierte, fragte früh nach: Wie gelingt es, als zivilgesellschaftliche Organisation, allen zunehmenden Krisen gerecht zu werden?
Die Antwort von Demokratie-Werker André Wilkens in aller Kürze: mutig und zuversichtlich sein, europäisch und demokratisch handeln und keine Kompromisse beim Klima eingehen. Später wird im Workshop der GLS Treuhand noch der Bochumer Weg hinzukommen: Vielfalt in aller Kleinteiligkeit unterstützen.
In seinen Ausführungen warb Wilkens um Zuversicht: Jede Krise setzt auch enorme gesellschaftliche Potenziale frei. Genau der richtige Zeitpunkt, sich als Einzelperson für Werte und Mitgestaltung einzusetzen. Wer hätte die heutige Einigkeit Europas vor dem Ausbruch des Krieges vorhergesehen? Doch bei allen Krisen mahnte er auch, die Klimakrise nicht aus den Augen zu verlieren. Sie stehe über allen. Daher sei die Bewältigung eine Gemeinschaftaufgabe von uns allen und er forderte eine Art Erasmus Programme fürs Klima bzw. ein europäisches Klima Hilfswerk.
Einsatz trotz Kriegs-Erlebnissen
Wem solche visionären Zukunftsgedanken zu fern scheinen, der erfuhr durch den zweiten Gast gelebtes Engagement von und für die Zivilgesellschaft aus der Praxis. Lasha Malashkhia, Vorstandsmitglied der Stiftung Sophia in Kiew, berichtetet aus der Gründungsphase der ukrainischen Stiftung in Kriegszeiten. In bewegenden Worten spiegelte er den Unglauben und die Gefühle aller Beteiligten bei Kriegsausbruch an der Stiftungsgründung. Sie lebten verteilt über das Land, so dass, kaum dass die Nachrichten alle erreicht haben, eilig eine Videokonferenz eingerichtet wurde, ums sich über das körperliche und seelische Wohlbefinden zu erkunden.
Wenige Wochen zuvor war GLS Treuhand Vorstandsmitglied Nikolai Fuchs noch bei den Gründungsüberlegungen in der Ukraine dabei. Im Anschluss wurde die Stiftung Sophia druch die GLS Treuhand mit einer Spende von 20.000 Euro und einem Darlehen unterstützt. Weitere Gelder folgten durch einen Spendenaufruf.
Lasha Malashkhia, Vorstandsmitglied der Stiftung Sophia in Kiew
Trotz des einschneidenden Kriegs-Erlebnisses setzten alle Gründer*innen die Arbeit fort, teils aus dem Ausland. Auch Malashkhia ist aus der Schweiz auf der Mitgliederversammlung der GLS Treuhand zugeschaltet. Dennoch spürten alle Zuhörenden die Energie, wenn er von den Anträgen spricht, die an die Stiftung Sophia herangetragen werden. Und erst recht, wenn es um die Bewilligung der gemeinnützigen oder bedürftigen Anliegen geht. Diese Aufgabe koste viel Zeit, Energie und Expertise.
Als Beispiel nannte er den Antrag für die Unterstützung einer unbedingt notwendigen medizinischen Operation.
Nicht nur musste das Gremium entscheiden, ob eine Unterstützung in einem Krankenhaus unter Beschuss zu verantworten ist. Vielmehr kamen im interdisziplinären Team Zweifel auf, ob die beantragte Summe überhaupt ausreichend sei und so fragten sie an verschiedenen Stellen nach. Auf keinen Fall sollte das Anliegen unterfinanziert sein. Schlussendlich wurde tatsächlich ein höherer Betrag bewilligt und die Operation konnte durchgeführt werden. Malashkhia und das Team rund um die Stiftung Sophia scheinen zu beweisen, was André Wilken vorher skizzierte: In den Krisen wachsen Menschen, besonders in Gemeinschaft, über sich hinaus.
Mitgliederversammlung GLS Treuhand
Wie die GLS Treuhand genau solche mutigen Projekte im vergangenen Jahr unterstützen konnte, zeigte die folgende Mitgliederversammlung. Dabei war 2021 das zweite Pandemie-Jahr in Folge. Nikolai Fuchs, Vorstandsmitglied der GLS Treuhand, berichtete zu Beginn, dass sich dieser Umstand zwar nicht gravierend auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ausgewirkt habe, aber in allen Bereichen eine spürbare Angespanntheit verzeichnet wurde. Insgesamt sei die GLS Treuhand jedoch glimpflich durch ein insoweit schwieriges Wirtschaftsjahr gekommen, das Verhältnis von Erträgen und Ausgaben sei nach wie vor ausgeglichen.
Erfreulich – und Sicht der GLS Treuhand die entscheidende Kennzahl – konnte die GLS Treuhand Gemeinschaft ihre Förderungen auf rund 19. Mio. Euro weiter erhöhen.
Nikolai Fuchs berichtete aus der Arbeit der GLS Treuhand des vergangenen Jahres, Alexandra Zyzik, Leiterin der Stiftungsbetreuung, bot einen Einblick in die Arbeit rund um die Stiftungsverwaltung. Berichte aus den Zukunftsstiftungen Bildung (Sophie Löhlein, Leitung), Entwicklung (Dr. Annette Massmann, Vorstand) und Landwirtschaft (Oliver Willing, Geschäftsführung) rundeten den Bericht ab. Dabei gaben sie einen Überblick über die aus ihrer Sicht jeweils größte Herausforderung in ihrem Bereich und wie sie diesen begegnen. Claudine Nierth, Sprecherin des Aufsichtsrates, berichtete über die Tätigkeiten des Aufsichtsrates.
Im digitalen Jahresbericht erfahren Sie mehr über die Förderprojekte und die Wirtschaftszahlen.
Beschlussfassungen
Die Darstellung des Jahresabschlusses 2021 erfolgte durch Nikolai Fuchs und die Leiterin des Rechnungswesens, Angela Plötz, die Feststellung durch den Aufsichtsrat. Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Änderung der Satzung erfolgte ohne Gegenstimmen. Ebenfalls keine Gegenstimmen gab es bei den Wahlen zum Aufsichtsrat.
Neu im Aufsichtsrat wurden damit Inara Dzelzkalns und Lars Pehrson begrüßt. Wiedergewählt wurde Rainer Kaltenecker. Alle drei nahmen die Wahl an.
Neben den Mitgliedern konnten zum Ende der Mitgliederversammlung alle Gäste gemeinsam über eine Spendenvergabe abstimmen: Rund 3.500 Euro konnten durch den digitalen Charakter der Veranstaltung eingespart werden, im Vergleich zu einer Veranstaltung in Präsenz. Diese Summe sollte einer gemeinnützigen Initiative zugutekommen Die Teilnehmenden stimmten darüber ab, ob das Kinderheim Bochum (St. Vinzenz), das Frauenhaus Bochum und/oder der Bochumer Ernährungsrat diesen Betrag erhalten sollen. Die große Mehrheit entscheid sich für die Aufteilung zu gleichen teilen an alle drei Einrichtungen.
Workshop
Im anschließenden Workshop „Der Bochumer Weg einer Kultur des Schenkens“ der GLS Treuhand ging es dann um die konkrete Strategie im Umgang mit der Vielzahl an Krisen. Nikolai Fuchs stellte gleich zu Beginn heraus: Es gibt viele Arten des Stiftens und Förderns in Bezug auf zivilgesellschaftliches Handeln. Doch der spezifische Ansatz der GLS Treuhand sei es, möglichst viele Menschen zu ermutigen, anstatt einzelne Leuchttürme aufzubauen. Das zeige sich darin, dass möglichst gezielt kleinere Summen verteilt werden, die explizit Ausprobieren und ungewöhnliche Ideen ermöglichen.
Sven Focken-Kremer ergänzte, dass die durch die GLS Treuhand unterstützte Vielfalt gemeinnütziger Ideen eine Antwort auf die zunehmenden Krisen sei.
Die GLS Treuhand nutze dafür das „Schenken“ in allen Variationen und unterstützt Menschen bei diesem Ansinnen. Rund wurde diese Idee durch den Beitrag eines Mitglieds, das selbst mit einem gemeinnützigen Verein Menschen in ganz Europa unterstützt. Auch wenn oft das Geld noch fehlen würde, so würde er die Projekte schon durch persönlichen Einsatz unterstützen und möglichst viel Zeit schenken. Sein Fazit: Seit jeher kommt am Ende alles zurück. Wer schenkt dem wird auch irgendwann wieder gegeben, man muss nur Vertrauen schenken. Ein Kreislauf, den die GLS Treuhand mit ihrer Kultur des Schenkens stets im Gang halten möchte.
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