„Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?“
Die gemeinnützige GLS Treuhand kümmert sich in Bochum seit 60 Jahren um das Thema Stiften und Schenken. Sie ruft dazu auf, sich einer Kultur des Schenkens anzuschließen, in der Geld als soziales Gestaltungsmittel verstanden wird. Aber was genau bringen Stiften und Schenken und was bewegt Menschen, sich zu engagieren? Wir haben dazu mit den Kolleg*innen aus der Stiftungsbetreuung und dem Antragsmanagement gesprochen. Sie beraten täglich interessierte Menschen und bringen Geldgeber*innen und passende gemeinnützige Projekte zusammen. Herausgekommen sind persönliche Einblicke in ein besonderes Aufgabenfeld.
Das Team Stiftungsbetreuung besteht aus Alexandra Zyzik (Leitung), Christiane Altenkamp, Astrid Schröter und Britta Wilhelm. Jede von ihnen arbeitet seit vielen Jahren mit Stifter*innen zusammen.
Was macht die Arbeit in der Stiftungsbetreuung mit dir?
Alexandra Zyzik:
„Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?“ Das Zitat stammt von John F. Kennedy, sagt aber viel darüber aus, was wir in der Stiftungsbetreuung der GLS Treuhand ermöglichen wollen – und durch das Engagement vieler auch können.
Es macht mich zufrieden, wenn Menschen mir im persönlichen Gespräch von ihrem Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung berichten. Dass ich dabei helfen und unterstützen kann, empfinde ich als etwas sehr Wertvolles.
Natürlich nehme ich die Arbeit auch mit nach Hause. Aber in einem positiven Sinne. Für mich endet das Thema Gemeinnützigkeit und Engagement nicht beim Verlassen des Büros. Auch im Privaten komme ich mit Menschen zusammen, die sich gemeinsam mit mir für einen gesellschaftlichen Wandel einsetzen. Mein persönliches Herzensthema: Menschenrechte. Dafür setze ich mich ein.
Kann man stiften lernen? Oder anders gefragt: Können nur reiche Menschen stiften?
Astrid Schröter:
Stiften kann jede*r, der sich in der Lage sieht, auf etwas zu verzichten, was er sonst für sich nutzbar machen würde. Es ist damit eine sehr persönliche Sache und betrifft sowohl den eigenen Besitz, als auch die eigenen Wertvorstellungen. Denn was jemand für sich „braucht“, kann jede*r nur für sich selber entscheiden. Wer sich entschließt, etwas von seinen Gütern oder Geldmitteln an gemeinnützige Projekte weiterzugeben, kann dadurch unter Umständen sogar Andere dazu anregen, auf etwas zu verzichten. Auf diese Weise können Spenden und Stiftungen ihre Kreise ziehen.
Für manch eine*n Stifter*in ist das Entscheidende vielleicht nicht einmal das Stiften per se, sondern die Frage, ob man damit gesellschaftlich „gesehen“ werden kann, oder auch, ob man Projekte und Ideen fördert, die nicht von einem selber stammen - einfach, weil man sie für umsetzungswürdig hält. Eine gesunde Distanz zu sich und seinem Besitz ist daher hilfreich, unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Spende. Die Höhe des Betrags ist oft nicht das einzig Ausschlaggebende. Auch geringe Beträge können – zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Empfänger gespendet – eine große Wirkung entfalten. Man kann es schlichtweg einmal ausprobieren und beobachten, ob sich der eigene Blickwinkel dadurch verändert. Viel Freude dabei!
Was bedeutet eigentlich "Stiften“ ?
Britta Wilhelm:
Das Stiften hat in Deutschland eine Jahrhunderte alte Tradition. Viele Stiftungsgründungen reichen bis in das 13. Jahrhundert. Waren es in früheren Zeiten nur Zwecke, die als „piae causae“, also einen frommen, religiös motivierten Hintergrund hatten, steht heute oftmals der Solidaritätsgedanke wie auch der Wunsch nach Veränderung im Vordergrund. Auch persönliche Ideen und der Wille, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen, spielen eine wichtige Rolle für die Stifter*innen. Wenn Menschen bereit sind, etwas von ihrem Besitz abzugeben, setzt das Kräfte frei, die der ganzen Gesellschaft dienen können. Aus einem glücklichen Gesicht werden dann viele glückliche Gesichter.
„Finanzielle Mittel zur Gründung und Förderung von etwas zur Verfügung stellen, jemanden etwas ohne Gegenleistung zum dauerhaften Besitz geben, um ihn damit zu erfreuen, etwas schaffen, bewirken, zustande bringen“, dies sind die Erläuterungen, auf die man stößt, wenn man Spenden, Stiften und Schenken im Wörterbuch nachschlägt. Aber kennt nicht jeder das Gefühl, wenn man in das freudige, emotional gerührte Gesicht eines Beschenkten schaut und Dankbarkeit und Freude darin sieht? Jeder, der dies einmal erlebt hat, weiß: „Schenken macht Spaß“!
Was ist das Zukunftsfähige beim Stiften in der GLS Treuhand?
Christiane Altenkamp:
Menschen, die mit uns gemeinsam stiften, fühlen sich verantwortlich. Sie fühlen sich verantwortlich, die gesellschaftlichen Herausforderungen mit zu gestalten hin zu einer sozial gerechteren, friedlicheren Welt mit vielfältiger Kultur und Spiritualität. Und dafür setzen sie ihr Vermögen ein. Sie schenken freilassend, damit Freiräume für zukünftige Entwicklungen geöffnet werden können, aber damit auch Lücken geschlossen und vor allem Themen gesetzt werden.
In meinen gut 12 Jahren hier in der GLS Treuhand ist mir immer bewusster geworden, was eigentlich beim zukunftsfähigen Stiften wichtig ist. Nämlich, Begegnungsräume zu schaffen und Gemeinschaftsbildung zu ermöglichen, damit sich dort offen und freilassend Strukturen etablieren können, die tragen. Sie stabilisieren als sicheres Fundament die Arbeit der Projekte. Von dort aus können dann vertrauensvoll gesichert weitere, neue Schritte gegangen und weitere Zukunftskeime gesät werden. Aufgabe der Stiftungen ist an dieser Stelle, diese Arbeit mit zu finanzieren.
Die Stiftungen in unserem Haus haben sich dieser Aufgabe gestellt. Wir freuen uns sehr, Partnerin dieser vielfältigen Stiftungstätigkeiten zu sein. Mit dem schönen gemeinschaftlichen Ergebnis, dass wir im vergangenen Jahr 872 Projekte mit insgesamt 16 Mio. Euro fördern konnten.
Das reguläre Antragsmanagement in der GLS Treuhand erhält täglich Projektanträge von Initiator*innen aus ganz Deutschland, die finanzielle Mittel für die Umsetzung ihrer gemeinnützigen Ideen benötigen.
Was ist das Einzigartige an eurer Arbeit im Antragsmanagement?
Tanja Schwarz-Trosien:
Das besondere an unserer Arbeit im Antragsmanagement ist, dass wir alle Phasen der Projekte miterleben dürfen: Wie aus einer Idee ein konkreter Förderantrag für ein Vorhaben wird, wie dieses durch das (Geld-)Geschenk einer Stifterin oder eines Stifters realisierbar wird und wie sich mit dem oftmals schön bebilderten Abschlussbericht oder Video der Kreis schließt und die gelungene Veranstaltung, die neue Kuhtränke oder die Hilfsaktion für geflüchtete Kinder als „Geschenk“ an uns zurückkommt. Leider gibt es immer noch viele tolle Projekte, für die wir keine Stifter*innen finden können. Das unsere Arbeit mit noch mehr Zusagen und weniger Absagen endet, wäre mein Wunsch für die Zukunft.
Rosa Anna Brandt:
Das Antragsmanagement ist eine der ersten Stationen, bei der sich gemeinnützige Vereine Informationen über die Fördermöglichkeiten der GLS Treuhand einholen und bei der die Förderanträge anschließend eintreffen. Besonders Anträge, die sich mit Problemlösungen für Menschen (und deren Angehörige) z.B. mit Behinderung, Fluchterfahrung oder Personengruppen, die am Rande der Gesellschaft stehen, auseinandersetzen, sind oft sehr beeindruckend. Die Kreativität und der Wille zur Verbesserung der oft schwierigen und für uns kaum vorstellbaren Lebensumstände dieser Menschen sind hier besonders groß und bewundernswert. Es wäre wunderbar, wenn sich weitere Stiftungen mit solchen Stiftungszwecken gründen würden, damit wir 2021 noch mehr solcher Vereine fördern könnten!
Die Fragen stellte Meike Bürvenich aus der Abteilung Kommunikation in der Treuhand.