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#Gefördert: Mit Fakten gegen Polarisierung
21.02.2025
Wo Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) für geflüchtete Menschen gebaut werden, können Unsicherheit, Vorurteile und somit Ablehnung bei der ansässigen Bevölkerung entstehen. In der thüringischen Stadt Suhl, die seit 2014 eine solche EAE hat, war das nicht anders. Aber so muss es nicht bleiben: Der Verein unofficial.pictures widmet sich mit dem Projekt „Erstaufnahme“ der Aufarbeitung der Fakten und dem Zusammenbringen verschiedener Perspektiven.
In Suhl drehte sich die Berichterstattung zur örtlichen Erstaufnahmeeinrichtung rund um toxische Narrative und die Kriminalität im Umfeld der Einrichtung. Doch weder kamen dabei die Menschen zu Wort, die dort untergebracht werden, noch die Suhler Bürger*innen, die sich ernsthaft Sorgen um die Sicherheit in ihrer Heimatstatt machten. Daher sollte „Erstaufnahme“ vielfältige Perspektiven sichtbar machen und Lösungsansätze aufzeigen.
Herzstück des Projekts war eine facettenreiche Zeitung mit einer Auflage von 6.000 Exemplaren, die gezielt 2024 verteilt wurde. Zum Vergleich: Suhl hat rund 37.000 Einwohner. In der Ausgabe war Platz für unterschiedliche Stimmen, die sonst oft ungehört blieben. Fotos, Interviews und Statistiken zeichneten ein umfassendes Bild zum Thema „Erstaufnahmeeinrichtung“. So wurden unter anderem ein Einzelhändler aus dem Zentrum, ein von Rassismus betroffener Bewohner der EAE, ein Suhler Anwohner, weitere geflüchtete Menschen sowie Mitarbeitende einer Beratungsstelle und der Lokalzeitung interviewt:
»Bei uns im Arbeitsalltag fehlt einfach die Zeit, dass man mal sagt: Ich guck mal hin und unterhalte mich mit jemandem.«
Doreen Fischer, Lokal-Redakteurin »Freies Wort«
»Es sind einzelne – vielleicht sind es keine zehn, zwanzig von den tausend – aber trotzdem kann was passieren.«
Ein Anwohner am Fußweg zur Erstaufnahme
»Ich glaube jeder Deutsche, der in so einer Situation leben würde, der würde durchdrehen. Der würde es nicht lange ertragen. Aber die Menschen dort haben Angst.«
Reinhard Hotop, unabhängiger Asylverfahrensberater
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Dialog, Jugendarbeit und Verstetigung der Erkenntnisse
Bei einer Diskussionsveranstaltung im Congress Centrum Suhl nahmen etwa 40 Personen teil, darunter Migrant*innen aus der EAE, Vertreter*innen von Hilfs- und Lobbyorganisationen sowie Bewohner*innen von Suhl. Somit trafen auch direkt und persönlich verschiedene Perspektiven aufeinander und es entstand ein reger Austausch über die Herausforderungen und Chancen des Zusammenlebens.
Besonders bewegend war zudem die Arbeit mit Jugendlichen in einem Theaterworkshop. An einem intensiven Tag setzten sich Schülerinnen und Schüler mit den Inhalten der Zeitung auseinander. Die persönlichen Schilderungen in den Artikeln berührten die Jugendlichen tief und inspirierten sie zu leidenschaftlichen Plädoyers für die Gleichberechtigung aller Menschen.
Die Projektinhalte wurden auch zu einer Ausstellung aufbereitet, die im neu eröffneten „Community Art Center“ zu sehen ist. Für 2025 ist ein weiteres Begleitprogramm geplant, darunter eine weitere Diskussion noch vor der Bundestagswahl, zusätzliche Theaterworkshops mit Schulklassen und niedrigschwellige Begegnungsangebote wie gemeinsame Kochabende.
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